Page 5 - schätze der frauen leseprobe
P. 5

Die machtvollsten Prägungen in meinem Leben sind aber eher
          von dunkler Seite. Sie fingen in den ersten Jahren nach unse-
          rer Rückkehr in Richtung Deutschland an. Das freie Leben in
          südlichen Regionen tauschten wir damals gegen ein karges
          und begrenzendes Dasein mit Regeln, Druck und Anspan-
          nungen ein. Das ist nicht spurlos an meinem Vater vorüber
          gegangen und er wurde immer gewalttätiger mir, meinen
          Brüdern und vor allem meiner Mutter gegenüber. Körperliche
          Gewalt und seelische Machtspielchen waren inzwischen zu
          gewohntem Alltag bei uns zuhause geworden.

          Dann  wurde  es  noch dunkler:  Das  schwarz  dieser  Nächte
          konnte dunkler nicht sein für mein unschuldiges, unberührtes
          Wesen.
          Übergriffe,  die  den  letzten  Rest  Vertrauen  auslöschten  und
          gegen kalte  Angst, Ekel und Scham eintauschten. Diese
          Grenzüberschreitungen beherrschten lange Zeit mein Leben
          und beeinflussen es bis heute.

          Warum erwähne ich diese beiden Ereignisse? Es war wich-
          tig für meine Entwicklung diese positiven Erinnerungen aus
          frühster Kindheit zu besitzen. Denn das hat mich später
          immer wachgerufen, für ein glückliches Leben zu kämpfen.
          Ich wusste ja tief in mir, dass es geht.

          In Deutschland fühlte ich mich nie richtig wohl und mit den
          begrenzenden Strukturen und unterordnenden Systemen
          kam ich nie klar. Es hat jahrzehnte gedauert, bis ich mich end-
          lich auf den Weg gemacht hatte, um mein Leben an den Wei-
          ten des Meeres unter südlicher Sonne zu verbringen. Dorthin
          wo die kleine Anya früher glücklich war.



                                   207
   1   2   3   4   5   6   7